Ich glaube zu entscheiden, ob ich nicht will oder ob ich nicht kann, ist für jeden selbstkritischen Psychiatrie-Erfahrenen ein Thema. Ich selbst bin an dieser Frage schon beinahe verzweifelt.
Es gab Zeiten, da verbrachte ich mein Leben im Wesentlichen vor mich hindämmernd auf dem Sofa, nur unterbrochen von Besuchen der Tagesstätte des Sozialpsychiatrischen Dienstes Cannstatt. Mir war es unsäglich schwer, ich redete kaum noch und kannte keine Freude mehr. Von jedem höheren Ort spielte ich mit dem Gedanken herunter zu springen. Ich war verzweifelt und jeder Handgriff war eine große Überwindung für mich. Da beschäftigte mich auch intensiv das Rätsel von Nicht-Wollen und Nicht-Können, das ich nicht lösen konnte. Ich fühlte mich minderwertig, weil ich kaum noch aktiv war. Das ging ca. 3-4 Jahre so mit kleinen Schwankungen.
Erst Ende der 90er ging es mir langsam besser und ich fand die Selbsthilfearbeit für mich. Sie sollte meine Rettung sein und stabilisiert mich bis heute. Mein Selbstwertgefühl und meine Stimmung ist in hohem Maße davon abhängig.
Aber immer noch gibt es viele Bereiche in denen ich passiv bin und das gerade in den alltagspraktischen Dingen.
Also auch heute stecke ich noch in dem Dilemma von Nicht-Wollen und Nicht-Können. Allerdings verdränge ich diese Frage immer wieder und sie belastet mich nicht mehr so.
Übrigens ist dieses Thema nicht nur für Psychiatrie-Erfahrene relevant. Bei ihnen wird es nur aufgrund der häufigen Einschränkungen deutlicher, als bei anderen Menschen. Jeder Mensch, der aktiv sein möchte, wird wohl mit diesem Zwiespalt konfrontiert werden, denn jeder Mensch kennt Vorhaben, die er nicht bewältigen kann bzw. will. Und sobald er über die Gründe reflektiert, gelangt er zu Nicht-Wollen oder Nicht-Können.
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