Sonntag, 24. Juli 2016

Medienkompetenz, Inklusion und Outing

Ein Kumpel sagte mir am Telefon, jemand hätte kritisert, dass ich überall mit meinem Realnamen im Internet auftrete. Ich weiß schon lange, dass das ein Risiko mit sich bringt, zumal ich in Facebook durchaus auch politische Äußerungen mache. Warum tue ich das?

Einerseits habe ich ein gewisses Bedürfnis mich öffentlich zu machen. Aber das ist nicht alles. Ich bringe es. nicht fertig, mich hinter einem Pseudonym zu verstecken. Ich bin über 30 Jahre offen mit meiner Erkrankung umgegangen und irgendwie habe ich mich daran gewöhnt mit meiner Person hinter meinem Leben und meinen Erlebnissen zu stehen. Da ich schon 20 Jahre nicht mehr arbeite, ist das auch nicht so problematisch, als wenn man auf einen Arbeitgeber oder Kunden angewiesen ist.

Aber manchmal habe ich schon ein mulmiges Gefühl, wenn icb daran denke, was man/frau über mich im Internet herausbekommen kann, wenn man/frau es will. Bisher habe ich Glück gehabt, aber wenn man/frau bedenkt, dass ich früher im IT-Bereich gearbeitet habe, dann kann man/frau bei mir wohl nicht von besonderer Medienkompetenz sprechen.

Es ist sowieso für psychiatrieerfahrene Menschen eines der wichtigsten Themen, wie im nahen Umfeld oder auch in der Öffentlichkeit mit der Tatsache umzugehen ist, dass eine psychiatrische Diagnose vorliegt. In meinen Begegnung mit vielen Psychiatrieerfahrenen führt das Problem des Outings immer zu lebhaften und intensiven Diskussionen. Jeder Psychiatrieerfahrene kann dazu was sagen, weil jeder die Stigmatisierung der Erkrankung in unserer Gesellschaft spürt, selbst wenn man/frau noch gar kein Opfer von Stigmatisierung geworden ist.

Ich selbst kann wenig von Ausgrenzungserfahrungen und Nachteilen berichten, den ich bin ja schon lange von der Arbeitswelt unabhängig und bewege mich nur in Psychiatriekreisen. Um die Anderen, die sogenannten "Normalos", habe ich mich nie besonders bemüht. Ich gehöre nicht zu den Psychiatrieerfahrenen, die sich bewusst anstrengen um Kontakt zu nichtpsychiatrieerfahrenen Menschen zu bekommen und den Kontakt zu ihren Leidensgenossen meiden, weil sie nicht über Probleme reden  bzw. sich "runterziehen" lassen wollen.

Ich nenne mich manchmal scherzhaft "Inklusionsversager", weil ich jemand bin, der zwar nichts dagegen hätte inkludiert zu werden, aber keine Lust hat, sich sonderlich dafür anzustrengen. Zu wohl fühle ich mich in meiner Subkultur und sehe auch die Nachteile, die die Welt der "Normalos" mit sich bringt.

Ich stelle bei mir fest, dass ich in meiner Welt zu den Wortführern gehöre und sowie ich meinen Schutz- und Schonraum verlasse, eher eine Randfigur bin. Das macht es mir natürlich schwer, mich nach außen zu orientieren. In meiner Welt bekomme ich viel Anerkennung und hatte schon viel Erfolg. Darüber hinaus muss ich mich Normen und Regeln unterwerfen, denen ich nicht gerecht werde. Ich beherrsche nicht die Kunst des Smalltalks und bin sehr einseitig interessiert. Die Memschen mit ihren Sorgen und Eigenarten interessieren mich am meisten und bei den üblichen Begegnungen wird das erst ein Thema, wenn man/frau sich gut kennt. Bei Psychiatrieerfahrene bin ich in kürzester Zeit bei tiefen und existentiellen Themen und das gefällt mir und das brauche ich. Mit meiner Arbeit beschäftige ich mich fast rund um die Uhr irgendwie mit Psychiatrie oder mit deren Randgebieten. Ich bin ein Spezialist, der sich für fachfremde Themen wenig interessiert.

Aber zurück zur Medienkompetenz. Ich hoffe nicht, dass ich meine Offenheit nicht irgendwann bereuen muss. Bei den aktuellen politischen Tendenzen kann es schon sein, dass Psychiatrieerfahrene irgendwann wieder verfolgt werden und da gehöre ich sicherlich zu den ersten. Immerhin habe ich das Glück als Deutscher geboren zu sein und deutsche Wurzeln zu haben - soweit sind wir schon!

Es gilt Position gegen Faschismus und Radikalismus zu beziehen. Und es ist immer noch besser das anonym zu tun, als gar nicht.

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