Am 12.7.19 fand der erste EX-IN-Kurs in Südbaden offiziell seinen Abschluss. In der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg fanden sich die Kursteilnehmenden, die Projektbeteiligten und viele Unterstützende ein, um das erfolgreiche Ende der Qualifizierung zu feiern.
Egon Engler, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes Freiburg-Stadt e.V., begrüßte alle Anwesenden und ging auf die sehr gute Kooperation der einzelnen Beteiligten bei diesem Projekt ein. Grußworte überbrachten Jochen Pfisterer, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Freiburg sowie Bernadette Sibler und Ingo Schlotter, Vorstände Selbsthilfe mit Köpfchen e. V. Gerd Keßler, EX-IN-Teilnehmer, gab Kurseinblicke und trug während der Feier selbstkomponierte Lieder vor. Der Höhepunkt des Abends, die Übergabe der Zertifikate und Teilnahmebestätigungen, wurde durch Projektleiter Ferdinand Holyba sowie durch Kurstrainer Stefan Schäuble übernommen. Ein Chor der Kursteilnehmer sang noch ein Lied, bevor Einrichtungsleiterin Susanne Schmid ein kurzes Resümee der vergangenen drei Jahre sowie ein Ausblick auf die kommenden zwei Jahre gab. Der Abschluss des Abends wurde mit einem gemeinsamen Imbiss und einem Glas Sekt gefeiert.
EX-IN ist eine Qualifizierung für psychiatrieerfahrene Menschen, die dann im Bereich der Psychiatrie als Genesungsbegleiterinnen und -begleiter arbeiten können. EX-IN steht für „Experienced Involvement“, übersetzt in etwa „Erfahrene beteiligen“. Menschen, die eigene Erfahrungen mit schweren seelischen Krisen haben, können andere psychisch belastete Menschen in ähnlichen Situationen besonders gut verstehen und unterstützen. EX-IN Südbaden bietet neben diesem EX-IN-Kurs mit Erweiterungsmodulen auch Recovery-Kurse an. Projektpartner sind der SpDi Freiburg – dessen Träger sind der Caritasverband Freiburg-Stadt und das Diakonische Werk Freiburg – und der Verein Selbsthilfe mit Köpfchen e. V. Finanziert wird das Projekt u.a. von der Aktion Mensch.
Im September 2016 war das Projekt "Erweitertes EX-IN für Südbaden" gestartet. Im Vorfeld hatten Ferdinand Holyba und Rainer Höflacher die Idee gehabt in Freiburg einen EX-IN Kurs in Freiburg zu realisieren. Nach einiger Zeit entschieden sich die Verantwortlichen des Caritasverbandes Freiburg-Stadt und des Diakonischen Werks Freiburg das Projekt durchzuführen. Projektträger wurde der Sozialpsychiatrische Dienst Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Verein Selbsthilfe mit Köpfchen e.V. Susanne Schmid übernahm die Projektsteuerung, Ferdinand Holyba die Projektleitung und Maria Meier, Stefan Schäuble und Rainer Höflacher ergänzten das Projektteam. Insgesamt wurde bei Aktion Mensch 60%-Stellenanteil genehmigt.
Das Projekt hatte im Wesentlichen 4 Anliegem:
1. Durchführung eines EX-IN Kurses für Südbaden.
2. Entwicklung und Durchführung zweier Erweiterungsmodule.
3. Entwicklung und Durchführung von Recoverykursen.
4. Gewinnung von Arbeitgebern für die EX-IN-Idee
Neben dem standardisierten EX-IN Kurs mit 12 Modulen (jeweils 3 Tage, Freitag bis Sonntag mit insgesamt 413 Stunden) war es das Ziel in 2 Erweiterungsmodulen Personengruppen in den Blick zu nehmen, die für die Arbeit im Bereich der Psychiatrie von besonderer Bedeutung sind. Gemeinsam wurde entschieden, sich mit den Lebenswelten von psychisch erkrankten Eltern, psychisch erkrankten wohnungslosen Menschen, psychisch erkrankten Menschen mit einer Suchtproblematik und psychisch erkrankte geflüchtete Menschen vertraut zu machen. Dies erweitert die Qualifikation der späteren Genesungsbegleiter*innen. Dazu wurden externe Expert*immen eingeladen, die das notwendige Fachwissen einbrachten und zum Großteil die Konzeption und die Leitung der beiden Module 13 und 14 übernahmen.
Ebenfalls als Erweiterung gedacht, waren die Recoverykurse, die für Menschen konzipiert wurden, die den EX-IN Kurs nicht absolvieren konnten bzw. wollten. Ziel war es diesen Teilnehmenden das Recoverkonzept nahe zu bringen und positive Impulse für ihre weitere Entwicklung zu geben. Hoffnung, Sinn, Optimismus und Mut sind dabei zentrale Aspekte die vermittelt wurden. Es wurden in allen 4 Land- bzw. Stadtkreisen Recoverykurse von unterschiedlichen Referenten durchgeführt. Das heißt, in Emmendingen, Lörrach, Breisgau-Hochschwarzwald und Freiburg fanden Recoverykurse statt.
In Freiburg fanden 2 Recoverykurse statt, bei denen öffentlich eingeladen wurde. Ein Freiburger Kurs war den Klient*innen des Sozialpsychiatrischen Dienst vorbehalten. In Emmendingen fanden sogar nach den 3 Standardterminen noch 5 weitere Nachtreffen statt.
Die sehr positiv Rückmeldungen der Teilnehmenden führten dazu, sich verstärkt auf das Recoverkonzept einzulassen und zu der Idee in Zukunft auch Kurse für Fachkräfte zu entwickeln.
Während des Projektes wurde in der gesamten Projektregion EX-IN und EX-IN Südbaden vorgestellt. 23 Mal war ein Tandem dafür im Einsatz.
Der Kurs startete im Februar 2018 mit 22 Teilnehmenden, 4 davon beendeten den Kurs frühzeitig, so dass der Kurs mit 18 Teilnehmenden endete.
Die Menschen, die den EX-IN Kurs belegt hatten, wuchsen im Verlauf des Kurses immer stärker zusammen und es entstand eine wertschätzende und sich gegenseitig unterstützende Haltung der Teilnehmenden. Vereinzelte Spannungen konnte die Gruppe gut für sich lösen. Auch die Erfahrung bei anderen EX-IN Kursen zeigt, dass die gemeinsame Psychiatrieerfahrung und das gemeinsame Ziel zu einer sehr hohen Motivation, Solidarität und Achtsamkeit innerhalb der Gruppe führt.
Es ist erstaunlich zu beobachten, welche Entwicklung manche Teilnehmenden in den eineinhalb Jahren zeigten. Wahrscheinlich die drei größten Faktoren für den Erfolg von EX-IN sind, dass die Teilnehmenden aufhören Ihre Erkrankung als Defizit oder Makel zu empfinden, sondern lernen, dass die seinerzeit gemachten Erfahrung ein großer Schatz sein kann, der für eine positive Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit nutzbar ist - und nicht zuletzt häufig mit Hilfe der EX-IN Qualifikation zu einem Arbeitsplatz führt.
Der 2. Faktor ist, dass EX-IN den Teilnehmenden etwas zutraut. So oft begegnen psychisch erkrankte Menschen der Aussage, du musst dich damit abfinden ein Leben lang krank zu bleiben und du wirst nie wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten. EX-IN gibt Psychiatrieerfahrenen eine greifbare Chance und vermittelt das Gefühl "Du schaffst das".
Und der 3. Faktor ist die Gruppendynamik, die den Teilnehmenden Kraft gibt. Einige der Teilnehmenden bestätigten dies und ssgten, ohne den Zuspruch und die Unterstützung der Gruppe, hätten sie den Kurs nicht bis zum Ende durchgehalten.
Ein Highlight waren die Selbsterforschungsgeschichten, bei denen fast alle Kursteilnehmenden ihre Problematik in einem 10 minütigen Referat vorstellten. Kaum in Worte zu fassen, welchen Schicksalsweg einige gehen mussten, bis sie jetzt hier in Freiburg bei EX-IN angekommen waren. Beim Vortragen der Geschichten war die hohe Konzentration und das Interesse im Raum fast körperlich spürbar. Diese Offenlegung sehr privater Details trug für die Gruppe noch verstärkt dazu bei, sich als eine sich stützende Gemeinschaft zu empfinden.
Das Gruppenerleben hatte seinen Höhepunkt beim Abschlussmodul, wo alle Teilnehmenden eine zehnminütige Präsentation halten mussten, in der in irgendeiner Form ein Rückblick auf die eineinhalb Jahre EX-IN Kurs vorgestellt werden sollte. Jede Präsentation, egal mit welchen Mitteln gearbeitet wurde, war überzeugend und beeindruckend - einige davon waren großsrtig. Es entstand in diesem Modul ein Gefühl der Einigkeit, wie man es nur sehr selten in Gruppen erlebt. Auch die Kurstrainer wurden Teil dieses Geistes.
Es wurde deutlich, wie die EX-IN Leitgedanken von Recovery, Empowerment, Salutogenese und Trialog auf die Teilnehmenden und ihre Haltung gegenüber Gesundheit, Genesung und Krankheit wirksam geworden waren. Fast alle Teilnehmenden berichteten, dass sie in den eineinhalb Jahren für sich selbst wichtige Entwicklungsschritte gemacht hatten.
Dss Abschlussmodul fand bei schönem Wetter in einem Freiburger Biergarten sein Ende.
Schon jetzt beginnen die Vorbereitungen für den 2 Kurs. Auf der Interessentenlidte stehen über 50 Personen und der Antrag für das Aktion Mensch Förderprogramm "Erfolgreich weiter" ist nahezu fertig gestellt. Aufgrund der Erfahrungen aus den letzten 3 Jahren, wagt es das Projektteam in 2 Jahren wiederum dasselbe Programm anzubieten und zusätzlich Recovery-Schulungen für Fachkräfte zu entwickeln und durchzuführen. Darüber hinaus wird ein ganztägiger EX-IN Fachtag veranstaltet werden.
Schon jetzt sind alle Beteiligten auf das Folgeprojekt gespannt und freuen sich auf die neuen Herausforderungen und Erlebnisse, die sie erwarten.
Sicherlich ist auch bei EX-IN nicht alles Gold was glänzt. Es gibt Hürden, die zu nehmen sind und es stellen sich bei der späteren Arbeit Probleme ein, die gelöst werden müssen. Manches Anstellungsverhältnis scheitert sogar. Trotzem gibt es selten Konzepte, die so zwingend ein WIN-WIN-Ergebnis haben, das heißt, wo alle Beteiligten nur gewinnen können. Voraussetzung dafür ist neben einem respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander, die Offenheit Probleme anzusprechen und der Wille, diese dann gemeinsam zu lösen - dann birgt EX-IN ein enormes Potential für eine bessere Psychiatrie zum Wohle psychisch belasteter Menschen.
EX-IN macht Sinn - davon sind die EX-IN Aktivisten aus Südbaden überzeugt.
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