Montag, 31. Oktober 2016

Innehalten

Es ist jetzt fast 2 Uhr und ich habe den 2. Band von The Big Five For Life von John Strelecky zu Ende gelesen. Ein guter Moment, um inne zu halten und zu bilanzeren.

Wo stehe ich gerade? Was mache ich mit meiner Lebenszeit? Werde ich in 20 Jahren Dinge bereuen, die ich jetzt nicht getan habe?

Ein zentraler Teil meines Lebens ist meine Arbeit. Wenn ich ehrlich bin zu zentral. Da gibt es nichts, was Platz daneben finden könnte, außer meiner Ehe mit Karin. Mein Smartphone ist zwar eine Art Ausgleichsbeschäftigung für mich, aber ohne meine Arbeit hätte das Gerät lange nicht die Bedeutung, die es derzeit für mich hat. Alles dreht sich um die Arbeit. Das macht zwar Freude und verhindert Langeweile, aber es ist nicht gut, wenn man zu einseitig ist. Das Denken wird eindimensional und es fehlen die kreativen Impulse von außen. Aber andererseits frage ich mich, warum soll ich nicht das tun, was mir Erfüllung und Freude macht.

Diese Situation ist ein Problem vor dem ich schon lange stehe und das ich beständig vor mir herschiebe. Will ich es wirklich lösen, oder lasse ich es dabei,es zum umschreiben und dann genauso weiterzumachen wie bisher - ohne mich bewusst dafür entschieden zu haben?

Was wären überhaupt die Alternativen für das Leben, das ich jetzt führe?

Sicherlich mein fachlicher Werdegang ist schon von Veränderungen geprägt. Ich habe mit der Initiative Psychiatrie-Erfahrener und der Beschwerdestelle Psychiatrie Stuttgart 1999 mit meiner Selbsthilfearbeit begonnen. Dann haben wir zusammen den Selbsthilfeverein Offene Herberge e.V. gegründet, der bis heute von Bärbel Nopper geführt wird, nachdem sie den Vorsitz von mir übernommen hatte. Parallel habe ich mir ein weiteres Standbein mit meinem Amt des stellvertretenden Vorsitzenden beim Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg geschaffen. Dann habe ich 2008 zusätzlich EX-IN Stuttgart gegründet, dass heute noch EX-IN-Kurse durchführt. Als dann Uschi Zingler, die Vorsitzende des Landesverbandes Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg 2010 verstarb, schuf ich mir dort den Minijob des Geschäftsführers. Als ich 2011 in die Heimat meiner Frau, nach Teningen bei Freiburg zog, beendete ich meine Mitarbeit bei der Offenen Herberge und bei EX-IN Stuttgart und konzentrierte mich auf den Geschäftsführerposten. Und wieder erarbeitete ich mir parallel weitere Betätigungsfelder. Ich wurde stellvertretender Vorsitzender des Freiburger Vereins Selbsthilfe mit Köpfchen und wurde Interessenvertreter im Gemeindepsychiatrischen Verbund Freiburg. Zudem gründete ich 2012 eine Selbsthilfegruppe und 2015 die Initiative Psychiatrie-Erfahrener Freiburg. Als dann 2015 der Streit mit Gabriele, der stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbandes Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg mich zu sehr belastete und nicht lösbar war, kündigte ich im Oktober 2015 beim Landesverband und wurde schon im nächsten Monat beim Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg mit Minijob eingestellt. Die weite Entfernung zwischen Ravensburg und Teningen brachte aber Probleme mit sich. Als Konsequenzen aus den Streitereien im Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg und aufgrund meiner dortigen schrittweisen Distanzierung, gründete ich eine 12köpfige Expertengruppe Psychiatrieerfahrener mit dem Namen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe seelische Gesundheit, die irgendwann in das Peer-Dienstleistungsunternehmen PeerCom übergehen soll. Inzwischen hatte ich im Sozialpsychiatrischen Dienst Freiburg vorgeschlagen, ob man nicht in Freiburg ebenfalls einen EX-IN-Kurs anbieten solle. So ergab sich die Möglichkeit in Freiburg mit Projektgeldern für 3 Jahre eingestellt zu werden. Ich entschloss mich die Stelle in Ravensburg zu kündigen und begann mit nahtlosem Übergang im September 2016 mit einem Minijob beim Sozialpsychiatrischen Dienst Freiburg bei dem Caritasverband Freiburg-Stadt. Damit sind wir in der Gegenwart angekommen und ich bin inzwischen 55 Jahre alt.

Wenn es meine Gesundheit zulässt, sieht es gerade danach aus, dass mein Leben in genau diesen Bahnen weiterlaufen wird. Zudem habe ich 2010 geheiratet, was meinem Leben Kontinuität und Sicherheit gegeben, aber auch zu einem soliden, häuslichen Dasein geführt hat, sieht man mal von meinen beruflich motivierten Reisen ab. Will ich das alles so?

Gesetzt ist meine Ehe mit Karin. Dies ist eine Konstante, die ich beibehalten will, weil sie mir gut tut, mich gesund hält und weil ich Karin liebe - obwohl ich gar nicht genau weiß, ob ich zum Gefühl der Liebe fähig bin.

Aber meine Arbeit? Wo sind noch Freiräume, noch Themen, die ich entdecken könnte? Wo sind meine Big Five For Life? Sicher die Herzenwünsche tiefe Beziehungen und den Glauben zu leben, eine Firma zu gründen, Psychiatrieerfahrene zu unterstützen und Neues zu erleben habe ich definiert. Aber was bedeutet das konkret? Es gilt diese Ziele mit konkreten, nachprüfbaren Fakten zu versehen, damit ich nicht im Beliebigen haften bleibe.

Wenn ich auf meinen Bauch höre, sagt mir dieser, dass ich etwas ändern sollte. Aber das ist besonders schwer, wenn eigentlich oberflächlich gesehen alles gut läuft.

Also was bedeutet es an Verhaltensänderungen, wenn ich tiefere Beziehungen leben will? Was konkret soll ich tun, um ein besserer Christ zu werden? Welche neuen Erlebnisse soll ich mir vornehmen? Und wie ist es möglich eine Firma zu gründen, ohne meine Erwerbsunfähigkeitsrente zu verlieren? Und wie kann ich Psychiatrieerfahrene noch mehr oder anders unterstützen, wie ich es ja schon seit Jahren tue? Ich denke diese 5 Fragen, die sich aus meinen Big Five For Life ergeben, gilt es anzugehen.

Aber jetzt ist es schon fast halb drei und heute werde ich da wohl nicht mehr sehr viel weiter kommen. Also dann, bis zum nächsten Blogeintrag.

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